Wie ich an einem Tag zum Streetfotografen wurde

Wie ich an einem Tag zum Streetfotografen wurde

Die Streetfotografie zählt aktuell zu den angesagtesten Fotogenres. Allerdings trauen sich viele Fotografen nicht Personen im öffentlichen Raum zu fotografieren. Dabei ist es gar nicht so schwer und leicht umzusetzen. Damit es aber keine unangenehmen Überraschungen gibt kann man ein paar einfache Tipps und Tricks beherzigen...

 

Was ist Streetfotografie?

Zunächst möchte ich meinen Begriff der Streetfotografie definieren. Wer das hier liest hat auch sicherlich schon eine eigene Vorstellung. Auch wenn einige Definitionen voneinander abweichen so sagt der Name es bereits: es sind Fotografien, die auf der „Straße“ entstanden sind oder diese abbilden. Straße würde ich nun allgemein als öffentlichen Raum auffassen. Zusätzlich möchte ich meine Auslegung auf Aufnahmen mit Personen konzentrieren. Das ist jetzt zwar sehr allgemein und bedarf sicherlich einer Präzisierung aber das soll uns jetzt nicht weiter stören. Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis auf das Recht am eigenen Bild und dem schmalen Grad des rechtlich Erlaubten. 

Der erste Zugang zur Streetfotografie

Meine frühere Fotoleidenschaft beschränkte sich meist auf die Reise- und Urlaubsfotografie und als Motive historische Bauwerke oder Landschaften. Wichtig war mir dabei möglichst keine störenden Menschen im Weg zu haben. Als ich irgendwann später meine Bilder durchschaute fiel mir eines direkt ins Auge. Es zeigte einen fremden Mann in froschgrünem Shirt. Ich erinnerte mich noch genau wie ich dieses kleine Gässchen fotografieren wollte und der Mann nicht von der Stelle wich. Also kam er mit aufs Bild. Ich bin mir sicher, ich hätte das eigentlich langweilige Bild schon längst entsorgt würde mich der Herr in grün nicht so verdutzt anschauen.

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Ein weiteres Schlüsselerlebnis war ein zufälliger Besuch einer Ausstellung Joel Meyerowitz’ Fotografien. Hier sah ich zum ersten Mal den Film „Joel Meyerowitz – Sense of Time“. Seine Werke faszinierten mich direkt und ich konnte eintauchen an einen fremden Ort zu einer mir unbekannten Zeit. Aber ohne ihre Protagonisten in häufig lustigen bis skurrilen Situationen würden sie fad und leer wirken. Gerade das Festhalten eines einzigartigen Momentes ist es was für mich die Fotografie ausmacht. Von da an wusste ich: dies ist die Königsdisziplin der Fotografie. Aber bis ich meine ersten echten Streetfotos machte war noch einiges an Überwindung notwendig.

Der Einstieg

Nachdem ich nun Feuer gefangen hatte wagte ich erste Versuche. Mal mit einem Tele aus der Ferne, mal schief aus der Hüfte oder im Vorbeieilen und immer mit der Angst entdeckt zu werden.  Die Ergebnisse waren nicht besonders und ich kam nicht wirklich weiter. Mir blieb es unbegreiflich wie es ein Meyerowitz schaffen konnte die Menschen zu fotografieren, mit kaum mehr Abstand als eine Armeslänge, ohne auch nur angesprochen zu werden. Es musste seine Art, sein Auftreten, sein Gestalt sein schloss ich. Ich bin nicht wie er also wird das nichts, so meine erste Kurzschlussreaktion. 

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Alle Theorie und Anleitung brachten mir nichts. Doch dann kam der Tag an dem ich lernte Streetfotograf zu werden. Durch Zufall entdeckte ich einen Workshop von einem Thomas Leuthard direkt bei mir in der Nähe. Damals mir noch unbekannt lobte mir die organisierende Fotografin Carola Schmitt ihn als großartigen Streetfotografen. Mit mulmigen Gefühl ging ich eines morgens zu dem Workshop und hörte mir zunächst die irgendwie schon bekannte Theorie an. Dann widmete sich unser Experte dem Problem der Angst, also genau mein Thema und übrigens auch der meisten anderen Teilnehmer. Und die verblüffend einfache Antwort war, man braucht keine. Wie bei vielen Ängsten ist es die Angst vor der Angst, dass etwas passiert. Thomas Leuthard versicherte uns keine spektakulär negativen Situationen erlebt zu haben und viele seine Bilder sind sicherlich nicht unbemerkt entstanden. Das mag ja alles sein, denke ich mir aber überzeugt bin ich nicht. Der Feldversuch begann entsprechend holprig. Wir liefen über den Wochenmarkt und entweder bekam ich die Kamera nicht rechtzeitig hoch oder stellte mich anders blöd an. Also klebte ich mich an unseren Vorturner und verfolgte ihn und seine Vorgehensweise. Dabei stellte ich schnell fest, dass er sich sehr irgendwie recht unauffällig verhielt. So konnte ich mir dann schnell ein paar Tricks abschauen. Zum Beispiel positionierte er sich an einem großes Schaufenster, presste die Kamera seitlich dran und nutzte gleichzeitig die Spiegelung aus. Hilfreich ist hier ein ausklappbares Live-Display an der Kamera – da man sich dann voll auf die Kamera konzentriert, merken Außenstehende gar nicht, dass sie fotografiert werden. Und verblüffender Weise nahmen auch in anderen Situationen wenige Personen Notiz von uns. An einem großen städtischen Kunstwerk fotografierte fast die gesamte Gruppe einen dort sitzenden Mann, ohne dass dieser auch nur reagierte. Offensichtlich dachte er wir seien nur an dem Kunstwerk interessiert. 

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In einer anderen Situation postierten wir uns vor einem guten Hintergrund und drückten den Auslöser wenn jemand günstig davor lief. Auch eine gute Variante ist es Personen von hinten, z.B. als Silhouette vor einer interessanten Landschaft zu fotografieren. Selbst wenn der Betroffene sich umdreht vermutet wird er nicht direkt denken selbst im Rampenlicht zu stehen. Ab und zu bemerkte auch jemand etwas und ging entschuldigend zur Seite. Mit mehr Mut und Entschlossenheit wagten wir uns dann auch mehr und fotografierten Personen durch die Busscheibe oder hinter Einkaufsscheiben. 

 

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Letztlich entstanden bei jedem Teilnehmer schöne Erstlingswerke mit deren Ergebnis ich so nicht gerechnet hatte. Angefixt bin ich noch am gleichen Tag weiter durch die Stadt gezogen und konnte auch alleine weitere positive Erfahrungen sammeln. 

Tatsächlich wurde ich an dem Tag nur einmal angesprochen und das war nur eine sehr vorsichtige Nachfrage ob sie fotografiert wurde. Es muss nicht immer eine „in the face“ Fotografie sein um Streetfotografien zu produzieren und ich lernte schnell auch näher ran zu gehen. Die kleinen Tricks bei denen man ein anderes Objekt als fotografisches Ziel ausgibt helfen dabei ungemein.

Bis heute habe auch ich keine negativen Erfahrungen gemacht und freue mich immer wieder auf Einkäufe in der Stadt mit meiner Frau – solange ich die Kamera mitnehmen und draußen warten darf ;-)

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War’s das?

Sicherlich nicht. Allein durch das Auslösen der Kamera und einer Person im Bild entsteht nicht zwangsläufig eine gelungene Streetfotografie. Neben den klassischen Kompositionsregeln, mit den dazugehörigen Ausnahmen und anderen Gestaltungsgrundlagen zählt für mich der Moment. Einfach eine Person vor einem Hintergrund kann toll aussehen aber ist noch keine Geschichte. Und eine Geschichte ist es was für mich ein gutes Bild erst ausmacht. Wie sich diese Aspekte umsetzen lassen möchte ich in einem späteren Beitrag besprechen. Bis hierher hoffe ich euch mit meinen Erfahrungen etwas brauchbares vermittelt zu haben. Und wenn ihr jetzt auch Lust auch Streetfotografie habt bedenkt das Wichtigste: Einfach loslegen!

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